Die Wohnungsgesellschaft in Taucha hat eines ihrer E-Bike-Diensträder für Testfahrer zur Verfügung gestellt. Interessierte konnten dieses Rad während des STADTRADELNS für den Alltag nutzen. Die Aufgabe war: Lass dein Auto stehen und probiere das E-Bike aus. Könnte es eine Alternative sein? Die einzige Gegenleistung war, aufzuschreiben, welche guten und schlechten Erfahrungen sie gesammelt haben. Sylvia und Cathleen aus Taucha haben die Herausforderungen angenommen. Hier ihre Texte:

Erste Woche: Sylvia

"Freiheit auf 2 Rädern? – Mit dem E-Bike durch Taucha
Unverhofft durfte ich in der 1. Woche Stadtradeln ein E-Bike der Marke Victoria von der WOTa testweise fahren. Gelesen hatte ich von diesem Angebot, mein innerer Schweinehund sträubte sich allerdings gegen die Vorstellung bereits um 5.30 Uhr auf einem Rad zur Arbeit zu fahren, zumal ich meist noch Transportgut dabei habe. Alles Ausreden… Glücklicherweise gab mir mein Kleinwagen einen Wink mit dem Zaunspfahl und wollte in die Werkstatt. Also E-Bike abholen, nach kurzer Einführung zur Funktionsweise durch Familie Bauer von der Klima-Ini, durfte ich in den Genuss von leichtem Tritt und schneller Fahrt kommen.

Die vier Modi Eco, Tour, Sport, Turbo überzeugten vor allem bei leichten Anhöhen, wie sie in Taucha überall zu finden sind. So konnte ich mir vorstellen, auch morgens auf Arbeit in die Biobäckerei zu radeln, ohne müde dort anzukommen. Ich genoss die Fahrten und umging damit alle Staus in unserer Stadt. Sogar der Transport von Broten zum KoLa Hofladen war mit der geräumigen Fahrradtasche möglich. Dank des stabilen Fahrradständers war das E-Bike schnell abgestellt und mit der großen Fahrradkette und dem integrierten Radschloss gesichert. Da ich nur Wege durch Taucha absolvierte, reichte der Akku im Turbomodus mehrere Tage. Höchstgeschwindigkeit erreichte ich auf dem Weg von Merkwitz nach Seegeritz mit 36km/h. Einziges Manko bei diesem Radmodell war der Sattel, der nicht richtig im Feststellmodus arretierte.
Ich danke allen für die Chance, das Fahrrad zu testen und eine Möglichkeit zu sehen, dass man sich auch unbeschwert mit Transportgut ohne Auto fortbewegen kann."

Sylvia

E-Bike-Tour

2. und 3. Woche: Cathleen

"Am Anfang der zweiten Stadtradel-Woche war es endlich soweit: Das E-Bike der WoTa kam! Da ich vor dieser Challenge noch nie E-Bike gefahren war, freute ich mich tatsächlich sehr darauf, so ein Gefährt einmal im Alltagsleben auszutesten. Das Bike kam halb aufgeladen zu mir und wurde gleich bei einer kurzen Spritztour getestet. Den eigentlichen Stresstest gab es dann am Sonntag (vor dem ersten Werktag), als es wirklich hieß: E-Bike statt Auto. Weil ich so gar nicht einschätzen konnte, wie schnell man gut 20 km im Flachland um Leipzig mit dem E-Bike zurücklegt und ich natürlich nicht zu spät auf Arbeit kommen wollte, hieß es am Wahlsonntag nach der Stimmabgabe einmal zur Arbeit und zurück.

Zum Glück konnte ich meine Familie überreden, mich zu begleiten. Da ich von uns die Unsportlichste bin, freute ich mich, meinen Lieben davonzufahren. Aber was war das? - Hier hatte ich mich zum ersten Mal getäuscht… Meine liebe Familie, radelten mir davon, besonders den kleinen Berg der Torgauer Straße Richtung Leipzig hinunter… Na toll. Ich hatte bis dato noch nichts von der Drosslung von E-Bikes gehört… Maximal 25 km/h auf ebener Strecke und bergab auch nicht viel mehr als 30 km/h… das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt und etwas angesäuert trudelte ich meiner Family (auf normalen Rädern) erstmal hinterher… Also vorerst getrübte Fahrradfreude…Nun gut, wir fuhren weiter und dann kam der nächste Berg, der kurz vorm Leipziger Hauptbahnhof und siehe da… freudestrahlend und (ich gebe es ganz offen zu) mit einem Lachkrampf vor Freude überholte ich meine Lieben und radelte ganz entspannt den Berg voran. Was für ein tolles Gefühl!

Diesen „Juhu-Ich-bin-jetzt-viel-schneller-als-ihr-Lachkrampf“ sollte ich während der weiteren Testtage immer mal wieder erleben. Nicht nur meiner Familie gegenüber, sondern auch gegenüber den vielen Fahrzeugen, die ich im Leipziger Morgen- oder Nachmittagsstau sprichwörtlich einfach links liegen ließ. Nach diesen ersten, dann doch positiven Eindrücken, machte ich mich gegen meinen inneren Schweinehund früh eine halbe Stunde eher auf den Weg und bewältigte den Arbeitsweg statt mit dem Auto nun mit dem Rad. Etwas länger dauerte es schon, zumindest vor der Rushhour, wenn ich ganz früh anfange zu arbeiten. Auch die morgendliche Radstrecke wurde mehrfach leicht angepasst und als Autofahrer fühlt man sich an vielen Stellen des Straßenverkehrs auf jeden Fall DEUTLICH sicherer als auf zwei Rädern… Hier gib es definitiv noch viele Verbesserungen für den sicheren Radverkehr.

Beim Radfahren ist mir aufgefallen, dass der Verkehrsraum besonders in Leipzig an vielen Stellen wirklich sehr ungerecht aufgeteilt ist. Während auf einer zweispurigen Autostraße die Fahrzeuge unbehelligt fahren können, drängeln sich auf schmalen Wegen Radfahrer und Fußgänger und behindern sich dadurch nicht selten gegenseitig. Das ist sehr schade, denn Platz sollte eigentlich für alle Verkehrsteilnehmer vorhanden und fair aufgeteilt sein. Am liebsten waren mir die Wege ganz abseits der Straßen. Kleine Fahrradstrecken, die nur von Radfahrenden und Fußgängern genutzt werden. Aber trotz teilweise wirklich eines mulmigen Gefühls, beispielsweise an Verkehrsweichen, an denen Autos nach rechts über den Radweg abbiegen müssen, war es ein herrliches Gefühl, etwas für die eigene Fitness und gleichzeitig für die Umwelt zu tun. So wurde der Arbeitsweg gleich zum täglichen Fitnessprogramm. Die Ausstattung des von der WoTa verliehenen Rades war gut und erfüllte eigentlich alle Erfordernisse, aber ehrlich gesagt: es war nicht so ganz optimal für mich. Berufsbedingt habe ich immer eine Menge Dinge zu transportieren und das gestaltete sich in der EINEN Fahrradtasche doch etwas schwierig. Da musste ich sehr improvisieren und ich denke, auf Dauer müsste man bessere Transportvarianten anschaffen, was an sich kein Problem ist, denn im modernen Fahrradhandel gibt’s für diese Probleme zahlreiche Lösungen. Auch die Reichweite des E-Bikes hätte meiner Meinung nach ruhig ein wenig länger sein können. Angezeigt wurden im Eco-Modus gut 80 km Reichweite. Und obwohl ich fast immer im Eco- Modus und nur selten in den höheren Unterstützungsprogrammen unterwegs war, kam ich gerade so hin und zurück, also ungefähr 40 km. Naja, hier gibt es bestimmt Modelle, die es weiter bringen. Unschön und stressig:

An einem Morgen mit besonders frühem Arbeitsbeginn musste ich meine Tour abbrechen, da ich die Beleuchtung des Rades einfach nicht anbekam. Die hatte ich vermutlich beim abendlichen Laden versehentlich und unbemerkt ausgeschaltet. Ohne mitgelieferte Anleitung bekam ich auf die Schnelle einfach das (hier könnte ein Schimpfwort stehen) Licht nicht an und im morgendlichen Trubel war auch nicht die Zeit, groß rum zu probieren. Also musste doch das Auto zum Einsatz kommen. Ebenso an den Tagen mit morgendlichem Starkregen… Auf alle Fälle habe ich dabei wieder etwas gelernt: Bei der Internetrecherche wurde ich ziemlich schnell fündig im Bezug auf das Lichtproblem. Auch vielen anderen Neu-E-Bike-Radlern schien anfänglich das Licht einfach nicht aufzugehen… Mir nun schon und fortan konnte ich wieder beleuchtet herumradeln. Das Fazit aus der E-Bike-Testzeit ist auf jeden Fall das Folgende: es gibt für mich zwei Gegner, wenn es um den Tausch „Auto gegen E-Bike“ geht: das Wetter und den inneren Schweinehund. 20 km Arbeitsweg mit dem E-Bike sind bei schönem Wetter wirklich überhaupt kein Problem. Eigentlich sollte man da das Auto (öfter) wirklich stehen lassen. Für die eigene Gesundheit und für die Verkehrswende allemal… Und jetzt? Jetzt vermisse ich das E-Bike bereits und die Tage, an denen ich auf Arbeit radeln konnte. Ich werde wohl mal meinen Bekannten vom ADFC aufsuchen und mich beraten lassen, welches E-Bike er mir empfehlen könnte und wo man das herbekommt."

Cathleen

Wir danken der WOTa für das großzügige Angebot, das sogar eine Versicherung einschloss, noch einmal ganz herzlich.